Museum: Die Öffnung der Sammlungen

Museum: Die Öffnung der Sammlungen
Museum: Die Öffnung der Sammlungen
 
Bereits seit der frühen Neuzeit wurden Wunder menschlicher Fertigkeit wie auch der Natur von Fürsten, Adligen und reichen Bürgern in Kunstkammern zusammengetragen. Durch Systematisierung der Bestände entwickelten sich daraus Spezialsammlungen, etwa Gemäldegalerien oder Münzkabinette. Im Zeitalter der Aufklärung wurde Kunst dann zunehmend unter ästhetischen Aspekten wahrgenommen. Noch als Orte fürstlicher Repräsentation entstanden im 18. Jahrhundert die ersten selbstständigen Museumsbauten: 1755 die Bildergalerie Friedrichs II., des Großen, in Sanssouci, 1769 das Museum Fridericianum in Kassel, 1773 das Museo Pio-Clementino im Vatikan. Bereits hier wurden die Kunstgüter aus der unmittelbaren Lebenssphäre ihrer Besitzer entlassen, nach künstlerischen Gesetzen präsentiert und Kunstliebhabern zugänglich gemacht. Als erstes öffentliches Museum in Staatsbesitz wurde 1753 durch Parlamentsbeschluss das British Museum in London gegründet.
 
Erst die Französische Revolution brachte einen epochalen Wandel. Der Sturz der alten Ordnung erschloss in Frankreich einen Kunstbesitz ohnegleichen, da Krone, Adel und Kirche enteignet wurden. Ungeachtet historisch überholter Themen und Inhalte wurden die Kunstgegenstände nun als Zeugen des nationalen und menschheitsgeschichtlichen Fortschritts zusammengeführt und ab 1793 im Pariser Louvre in einem öffentlichen Museum gezeigt. 1795 folgte das Musée des Monuments Français, 1799 öffnete in Versailles das Musée de l'École française. Während der Feldzüge Napoleons wurden Kulturgüter aus ganz Europa, aber auch aus Vorderasien und Nordafrika als Beute nach Paris verschleppt. Hinter diesem Kunstraub stand auch der Anspruch, die Kulturleistungen aller Völker am Ort der revolutionären Selbstbefreiung der Menschheit zu versammeln. Allerdings bedeutete die Musealisierung einen Funktionswandel der Kunst: Werke, die Teil des christlichen Kultes oder fürstlicher Repräsentation waren, wurden aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang gelöst und ausschließlich unter ästhetischen oder historischen Aspekten betrachtet.
 
Der Sturz Napoleons und die Rückgabe von Beutekunst führten zur Neuordnung der europäischen Sammlungs- und Museumslandschaft. Nach französischem Vorbild wurden Nationalmuseen eingerichtet, darunter 1819 der Prado in Madrid und 1824 die National Gallery in London. Im Deutschland der Restaurationszeit begegneten die Herrscher den politischen Reformbestrebungen durch ein Bildungsprogramm, in welchem dem Museum als Ort der Kunstandacht und Belehrung eine besondere Rolle zukam. Vorbildliche Bauten entstanden in Berlin mit Karl Friedrich Schinkels Altem Museum sowie dem Neuen Museum und der Nationalgalerie von Friedrich August Stüler. Leo von Klenze entwarf unter Ludwig I. in München die Glyptothek für antike Skulpturen und die 1836 eröffnete Pinakothek für Gemälde. Frühe Einrichtungen bürgerlicher Kunstpflege waren Teylers Museum im niederländischen Haarlem (1779) und in Deutschland das Städelsche Kunstinstitut in Frankfurt am Main (1817) sowie die Sammlung Wallraf in Köln (1824).
 
Prof. Dr. Michael Hesse

Universal-Lexikon. 2012.

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